Was ist Tantra?
Was ist Tantra? Das werden wir oft gefragt. Zu wissen oder zu erleben, was Tantra ist, geben viele Teilnehmende als Motivation in ihrer Anmeldung zu unseren Seminaren an.
Das, was in Deutschland unter dem Begriff Tantra angeboten wird, müsste korrekterweise als Neotantra bezeichnet werden. Tantra entstammt dem Hinduismus und Buddhismus und betrifft im Wesentlichen genau wie das ursprüngliche Yoga einen spirituellen Weg. Neotantra hingegen betrifft sehr viel stärker die körperliche Seite und die Sexualität. Neotantra geht überwiegend auf die Lehren des indischen Philosophen Bhagwan, der sich später Osho nannte, zurück. Viele bedeutsame Tantra-Lehrende der neueren Zeit wie z. B. Andro, Margot Anand oder Alan Lowen waren Schüler Oshos gewesen. Insofern könnte man sagen, dass Tantra in Europa das ist, was Osho und seine wichtigsten Schüler gelehrt haben. Was davon dann in konkreten Tantra-Seminaren umgesetzt wird, wie es umgesetzt wird und womit es ergänzt wird, hängt natürlich von den jeweiligen Schwerpunkten und der individuellen Art eines Anbieters ab.
Wir selbst sind als Anbieter von tantrischen Seminaren vergleichsweise weit von Oshos Lehre entfernt. In unseren Veranstaltungen geht es nur um die Dinge, die wir selbst als hilfreich und schön empfinden und die wir selbst leben. Ursprünglich ging es uns auch gar nicht primär darum, tantrische Seminare anbieten zu wollen. Unsere Impulse stammen aus ganz verschiedenen Bereichen. Und wir glauben ohnehin nicht, dass es nur die eine gute Lehre gibt.
Als Antwort auf die Frage “Was ist Tantra?” möchten wir an dieser Stelle einige Basis-Elemente des Tantra aufführen, die uns ganz besonders wichtig sind. Zu jedem dieser Punkte könnte man noch sehr viel mehr schreiben, es soll aber ja eine Übersicht sein.
Tantra fängt bei Dir selber an
Es gibt den bekannten Satz „Tantra fängt bei Dir selber an.“ Damit ist u. a. gemeint, dass man zunächst in die Präsenz kommt, eine Verbindung zum eigenen Körper wahrnimmt und dann aus dieser Präsenz heraus handelt. Es ist im Wesentlichen das, was auch unter dem Begriff Achtsamkeit angesprochen wird.
Im Tantra befindet man sich idealerweise immer in diesem Zustand der Präsenz. Bevor man in Begegnung geht, baut man die Verbindung zum eigenen Körper ganz bewusst auf. Für manche Menschen ist dieses „Im-Gefühl-Sein“ eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Andere wissen gar nicht, was damit gemeint sein könnte. Das „Im-Gefühl-Sein“ ist auf jeden Fall erlernbar und trainierbar und es ist wirklich erstrebenswert.
„Tantra fängt bei Dir selber an“ meint auch, eine liebevolle Beziehung zu sich selbst aufzubauen. Selbstliebe. Das ist ja tatsächlich die Basis für alles. Aber ohne Frage ist dies ist sehr viel leichter gesagt als getan. Hier verbirgt sich ein großes und sehr bedeutsames Thema, zu dem wir aufgrund unserer eigenen Erfahrungen viel schreiben könnten. Das würde hier in diesem Überblick jedoch zu viel Raum einnehmen.
Für uns persönlich gehören zu der Grundidee „Tantra fängt bei Dir selber an“ noch umfassendere Aspekte dazu: Den Körper gut behandeln durch gesunde Ernährung, Bewegung, Sport, Yoga, Meditation. All das als Richtlinie, also in Maßen, ohne ins Extreme zu verfallen. Und es gehört für uns auch verantwortungsvolles und rücksichtsvolles Handeln dazu, gegenüber den Mitmenschen, gegenüber der Gesellschaft, gegenüber anderen Geschöpfen und gegenüber der Umwelt.
Eigene und andere Grenzen achten
Ein Aspekt der achtsamen Grundhaltung, die wir im vorigen Abschnitt genannt hatten, besteht darin, Körpersignale wahrzunehmen und im Handeln zu berücksichtigen. Insbesondere Körpersignale, die einem sagen, dass gerade etwas nicht gut ist. Wenn eigene Grenzen erreicht oder auch überschritten werden, sagt uns dies unser Körper, unser Unbewusstes. Das ist sehr viel verlässlicher als Botschaften, die eher unserem Verstand entspringen, wie „Das gehört sich so.“, „Stell dich nicht so an.“ oder „Es ist ja gut gemeint.“.
Dass bisher Gesagte betrifft die eigenen Grenzen. Im Tantra geht es aber auch um die Grenzen der anderen, des Gegenübers. Die leichte und offensichtlich selbstverständliche Seite davon ist ein „Nein“ ohne Diskussion zu respektieren. Aber häufig gibt es auch, ohne dass unser Gegenüber ein „Nein“ artikuliert, Anzeichen, dass unser Handeln gerade nicht willkommen ist. Darauf sensibel zu achten und sich nicht über diese Signale hinwegzusetzen, gehört zu einer tantrischen Grundhaltung, einer liebevollen Grundhaltung gegenüber anderen Menschen.
Die Trennung von Geben und Empfangen
Im westlichen Tantra nehmen Berührungen und Massagen einen großen Raum ein. Dabei ist man meist entweder in einer gebenden oder einer empfangenden Rolle. Diese Trennung ist im Tantra sehr typisch, aber für viele ungewohnt. Empfangen bedeutet, in Berührungen, die man erhält, hinein zu spüren ohne selbst aktiv zu sein. Manche fühlen sich dabei zunächst unwohl, z. B. weil sie in diesem Moment nichts zurück geben können. Beim Geben hingegen ist es wichtig, wirklich nur zu geben ohne zu nehmen. Entscheidend dafür ist wiederum die liebevolle Grundhaltung, bei der es darum geht, dass es der empfangenden Person wirklich gut geht.
Die Trennung von Geben und Empfangen unter einer tantrischen Grundhaltung ist ein wesentlicher Grund für die große Tiefe und Intensität, die man in tantrischen Massagen erleben kann.
Das tantrische Ritual
Im Tantra gibt es einen klaren Rahmen für Begegnungen. Es gibt Regeln, was erlaubt ist und was nicht, Regeln für den Ablauf, und es gibt einen Anfang und ein klares Ende der Begegnung. Das hört sich möglicherweise streng und statisch an, aber es ist durchaus nicht so, dass alles vorgeschrieben ist. Vielmehr geht es um Leitplanken, die den Raum der Möglichkeiten beschreiben. Der Vorteil dieser Leitplanken besteht darin, dass man sich in den Begegnungen sicher fühlen kann. Innerhalb der Leitplanken werden auch die individuellen Wünsche und Grenzen artikuliert, sowohl beim Empfangen als auch beim Geben.
Zu den Äußerlichkeiten eines Rituals gehört es, dass der Raum und ein „Rituallager“, auf dem eine Begegnung stattfindet, schön hergerichtet werden und dass man tantrische Kleidung trägt, das sind meist Lunghis oder Sarongs. All das unterstützt die achtsame und wertschätzende Grundhaltung in der Begegnung.
Ehrlicher und offener Austausch
Zu einer tantrischen Grundhaltung gehört es auch, ehrlich über sich zu berichten, wie es einem gerade jetzt geht oder wie es z. B. in einer Begegnung war. Auch dabei beachtet man die eigenen Grenzen. Es geht also nicht darum, komplett offen zu sein, alles zu erzählen, oder Erwartungen an Offenheit zu erfüllen, sondern frei das zu sagen, was einen bewegt. Als Zuhörer oder Empfänger ist es wichtig, sehr präsent zu sein, nicht wertend und nicht kommentierend, sondern wohlwollend und mitfühlend das aufzunehmen, was mit einem geteilt wird. Auch in der Kommunikation findet man also die Trennung von Geben und Empfangen unter Beachtung von Grenzen.
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