Tantrische Konventionen
Bei meinem ersten Tantra-Seminar waren zahlreiche Begriffe und Konventionen für mich befremdlich: Shiva, Shakti, Yoni, Lingam, Lunghi, Namaste. Auch, dass wir uns voreinander mit aneinander gelegten Händen verbeugen sollten oder ich als Mann mir ein buntes Tuch um die Hüfte wickeln sollte, wie einen Rock.
Aber ich bemerkte auch, dass diese neuen Begriffe und ebenso die Äußerlichkeiten sehr hilfreich sind, um in dieses andere, zunächst neuartige Grundgefühl zu geraten. Wenn ich einen tantrischen Seminarraum betrete, durchströmt mich ein Gefühl der Ruhe, ich spüre meinen Körper, werde langsamer. In den Gesprächen bin ich präsenter, Umarmungen und Berührungen werden selbstverständlicher.
Das Anlegen meines Lunghis bewirkt Ähnliches in mir. Unsere Kleidung hat Einfluss auf unsere innere Grundhaltung. Das merkt man ja auch sehr deutlich, wenn man sich feierlich kleidet oder sich für eine Party schick macht.
Manches aus der tantrischen Welt hat bereits vor vielen Jahren Katrins und meinen privaten Alltag erreicht. Wenn wir uns in einer besonderen Tiefe und Verbundenheit begegnen wollen, richten wir einen Raum dafür her mit schönem Licht und einem Rituallager auf dem Boden. Und wir tragen dann Lunghis, wählen die aus, die wir besonders mögen.
Die Begriffe Yoni und Lingam haben sich in unserem Sprachgebrauch fast vollständig durchgesetzt. Sie drücken für mich die Schönheit, Zartheit, Verletzlichkeit und auch die Pracht unserer Genitalien aus. Ich kenne keine anderen Bezeichnungen, die das für mich beinhalten. (Wenn man mal von den vielen, allerdings individuellen Kosenamen absieht, die manche Menschen benutzen.) Dies hat dazu geführt, dass wir andere Bezeichnungen nur noch benutzen, um von Menschen, die diese Begriffe nicht kennen, verstanden zu werden.